Volle Fahrt voraus – wider der Vollkaskomentalität

Gouverner et gérer, c’est prévoir! (frei nach Émile de Girardin, 1806 – 1881)

von Kantonsrat Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht)

Lagebeurteilung

Ein aus China stammendes, ursprünglich durch Fledermäusen übertragenes Virus, dessen Verbreitung von dem Land mehrere Wochen mehr oder weniger ignoriert wurde (Information der WHO erst im Dezember 2019,) hat zusammen mit teilweise erratischem Handeln seitens von  Regierungen und der Politik, zu massivem wirtschaftlichem Schaden an der gesamten Weltwirtschaft geführt. Rudimentärste Hygienemassnahmen (Händewaschen, Abstand halten) wurden nicht und werden leider heute schon wieder nicht mehr eingehalten. Grenzen wurden zu spät geschlossen und die Schwachen und Anfälligen nicht, zu spät oder zu wenig geschützt.

Nachdem die Reproduktionszahl auch in der Schweiz unter 1 gefallen ist besteht nun die Gefahr, dass dieses Turbo-Virus wieder vermehrt Nährboden findet. Mit der Öffnung der Grenzen und der Wiederaufnahme des internationalen Flugverkehrs, mit dem Einsetzen der Ferienzeit und der Wiedereröffnung von Bars und Nachtclubs wird es unweigerlich zu vermehrten Kontaminationen kommen. Eine von Virologen vorausgesagte-, für den Herbst oder Winter 2020/21 erwartete 2. Welle, womöglich mutierter Viren, darf unser Land nicht mehr so unvorbereitet treffen, wie geschehen. Der wirtschaftliche Schaden für die Schweiz ist schon jetzt immens: neben Kosten von rund 80 Milliarden Franken für Bund und Kantone und damit verbundener Neuverschuldung, sind massive Produktionsausfälle und daraus resultierend, der Einbruch unseres Bruttoinlandproduktes um 25 – 30 % zu gewärtigen. Einzelne Wirtschaftszweige (Maschinenindustrie, Automobilzulieferer, Hotellerie, Vergnügungsindustrie) werden stärker Schaden nehmen als andere – Konkurse sind und werden unabwendbar, eine Rezession und darauf folgend auch inflationäre Tendenzen sind unausweichlich. Die expansive Geldpolitik der Nationalbank und deren wohl bald eine Billion Franken umfassendes Devisen- und Wertschriftenportefeuille sind zu hinterfragen. Experten erwarten bis 2021 eine Arbeitslosigkeit von 7% oder mehr, wobei es zu grossen regionalen Unterschieden kommen dürfte. Damit verbunden wird auch ein massiver Einbruch der Steuereinträge einhergehen. Die viel gerühmte Globalisierung stellt die exportorientierte Industrie und  mehrere Dienstleistungssektoren (Hotellerie, Swiss etc.) vor sehr grosse, aber hoffentlich überwindbare Probleme. Die Rückverlagerung der Produktion gewisser, unerlässlicher Güter und Komponenten aus dem fernen Ausland in das eigene- oder benachbarten Ländern muss ins Auge gefasst werden, der Faktor Kosten kann und darf nicht mehr ausschlaggebend sein.

Unser Land war auf die Pandemie nicht optimal vorbereitet. Ganz positiv ist  der hohe Hygienestandard in Spitälern und Heimen zu werten, dies gegenüber einer Reihe stark Corona-geschädigter Länder (Italien, Spanien, England und den USA). Unser von den Staats- und Monopolmedien hoch gerühmtes Gesundheits-departement zu Bern dagegen war eher schlecht als recht vorbereitet (Stichwort Maskendebakel). Die landesweiten Nachrichten über die meist gut orchestrierten und publikumswirksam übertragenen Presse-konferenzen  des Bundes entsprechen nicht dem teilweise erratischen und bürokratischen Handeln des Gesundheitsministers, der Justiz- und Innenministerin. Dazu kommt unüberlegtes Handeln mit diktatorischem Ansätzen seitens der Berner Beamten-Nomenklatur (Paradebeispiel dafür sind die inzwischen zurückgenommene Auflagen für Restaurants und Bars).

Ob sich die Politik der «offenen Schleusen» von Bund und Kantonen (exzessiver und sehr grosszügiger Kreditgeber und Garant) und Nationalbank als nachhaltig erweisen wird, steht noch in den Sternen. Sicher ist, dass die derzeit in der Schweiz und in vielen Ländern gelebte Kaskoversicherungsmentalität, anlässlich einer (hoffentlich nicht eintretenden) 2. Welle des Covid-19 oder von Covid-21, einer anders gearteten Weltkrise      (z. B. globaler, konzertierter Angriff auf die Digitalisierung) oder im Angesicht eines grösseren Konflikts (USA-China etc.) in diesem Masse nicht mehr möglich sein wird. Die Reserven sind aufgebraucht. Billionen wurden und werden weiter durch die Notenbanken in Umlauf gebracht, die Zinsen befinden sich in negativem oder nahe negativem Territorium, das Vertrauen in viele Währungen ist arg strapaziert.

Und verhielt und verhält sich das Schweizer Volk? Es hat sich vorbildlich, aber auch unschweizerisch, unkritisch verhalten. Jetzt, da die 1. Welle abgeklungen ist, darf, ja muss,  konstruktive Kritik angesetzt werden.

Wider der Vollkaskomentalität

2 – 3 Tage nach dem Lockdown hatten viele Bewohner unseres Landes zuhause nichts mehr zu «beissen» oder sie verhielten sich entsprechend. Es kam zu Hamsterkäufen und nicht wenige Menschen haben erst dann einen gewissen Notvorrat angelegt, welchen sie aufgrund ihrer Erfahrungen wohl auch in näherer Zukunft bewirtschaften werden. Gleich verhält es sich mit dem Aufbau eines eisernen Sparbatzens zulasten der in den letzten Jahren ausufernder Ausgaben für Spass- und Freizeitvergnügen (teure Essen, Ferien in Übersee, geleaste Luxusfahrzeuge etc.) sowie dem Aufbau  finanzieller Reserven durch die Firmenwelt. Jeder und jede, alle wirtschaftlichen Unternehmen in unserem Land und auch die Öffentliche Hand sind gut beraten, ihren Gürtel in Zukunft ein wenig enger zu schnallen und wieder etwas Speck in die Vorratskammer zu hängen. So braucht es im Kanton Zürich keinen, mehrere Hundert Millionen Franken teuren, neuen Innovationspark. Die dafür nicht verwendeten Mittel sollen zielgerichtet, in Form rückzahlbarer Kredite (nicht aber mittels A-fonds-perdu-Beiträge) für die Forschungstätigkeit an unseren Universitäten und zur Unterstützung erfolgsversprechender Start-ups eingesetzt werden. «Offene Schleusen», ob an den Landesgrenzen, mittels Ausschüttung nicht vorhandener Milliardenbeträge, oder durch eine unverantwortliche, expansive Geldpolitik der Nationalbank, sind Gift für das Vertrauen von Land und Leuten und für prosperierende, nächste Generationen. Eine verwerfliche und verweichlichte Haltung, wie sie durch die Zürcher Regierung, auf Antrag der Bildungsdirektorin, mit der Annullierung der diesjährigen Maturitätsprüfungen und dem generellen Verzicht auf Notengebung an den Tag gelegt wurde, lässt generell nichts Gutes für zukünftiges Handeln dieses Gremiums in Krisensituationen erahnen. Der Weg des geringsten Widerstandes führt in den meisten Fällen zu keinem nachhaltigen Erfolg!

Fazit

Viele Menschen und Firmen in unserem Lande mussten in den vergangenen Wochen bittere Erfahrungen machen. Grössere Firmen, welche vier Wochen Einkommensausfall ohne staatliche Hilfe nicht überstehen, sind langfristig nicht überlebensfähig. Sie werden, falls vom Staat in der Corona-Krise noch gerettet, eine nächste Krise nicht überleben! Der Staat wird dannzumal nicht mehr in der Lage sein, klotzend und grosszügig, für alle in die Bresche zu springen. Der wohl längste wirtschaftliche Aufschwung aller Zeiten hat mit Covid-19 ein abruptes Ende gefunden. Nun gilt es sich im rohstoffarmen Binnenland Schweiz auf die uns angestammten Tugenden zu besinnen und ihnen nachzuleben: Fleiss, Innovation, Sparsamkeit und Bescheidenheit. Will unser Land gegenüber vielen anderen Ländern einen gewissen Wissenschafts- und Technologievorsprung erhalten, so muss dem Grundsatz «fordern und fördern» wieder konsequent nachgelebt werden. Einer in grossen Kreisen unserer Gesellschaft und Beamtenschaft vorherrschenden Vollkaskomentalität muss abgesagt und wo nötig der Riegel geschoben werden. «Manna fällt nicht vom Himmel» und Steuersubstrat bzw. steuerlich ausschöpfbare Wertschaffung müssen erst wieder geschaffen werden. Gelingt dies, und wenn auch nur in reduziertem Masse, innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre, so findet unsere Wirtschaft zu alter Stärke. Scheitern wir, steht unsere wohlstandsverwöhnte Gesellschaft vor sehr schwierige Zeiten.