Handels- und gewerbeschädigender Abbau des Service Public durch die Post

KR-Nr. 262/2014

Die Post CH AG will das Postfachamt 8034 Zürich-Riesbach per 31. August 2015 schliessen; die Räumlichkeiten wurden gekündigt. Zu diesem Zweck verwehrt und verwehrte die Post, ohne Angabe von Gründen, in den letzten zwei Jahren Interessenten (und davon gab und gibt es viele) die Anmietung eines Postfaches. Derzeit sind beim Postfachamt 8034 von rund 700 vorhandenen Postfächern nur noch deren zirka 500 vermietet. Die von der Schliessung direkt Betroffenen sowie den Gewerbe- und den Quartierverein hat die Leitung der Post lan- ge im Dunkeln gelassen und nicht über den Entscheid der geplanten Schliessung informiert. Eine an die Konzernleiterin der Post, Frau Susanne Ruoff, am 8. Oktober 2014 eingesandte Petition wurde von 218 Postfachinhabern (mit insgesamt 2‘200 Mitarbeitern) unterzeichnet. Weitere Petitionsbögen von Firmen, welche über 200 Personen beschäftigen, sind inzwi- schen zusätzlich bei den Petitionären eingetroffen. Die Postfächer im Zürcher Seefeld- Quartier entsprechen einem grossen Bedürfnis. Das durch die Postfachstelle 8034 abge- deckte Quartier erfährt seit einigen Jahren einen grossen Aufschwung. Der Abbau des Ser- vice-Public und dieser für Handel und Gewerbe überaus wichtigen Dienstleistung durch die Post ist unbegreiflich. Sie würde für die Betroffenen erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen. So hat sich denn u.a. auch das Notariat Zürich-Riesbach, neben vielen Gewer- betreibenden, der Petition gegen die Schliessung der Postfächer angeschlossen. Müssten in Zukunft alle Postfachinhaber ihre Post in der Poststelle 8032 (Forchstrasse/Kreuzplatz) ab- holen, würde dies bedeuten, dass sich jeden Tag frühmorgens mehrere hundert Postfachin- haber zusätzlich zu allen Postfachinhabern, welche dort bereits heute ein Postfach haben, zu dieser Poststelle begeben müssten, was zu zusätzlichen Staus führte. Eine grössere Anzahl Postfachinhaber erhält täglich derart grosse Mengen an Post, dass sie diese über die grosse Distanz zwangsläufig nicht mehr mit einem Handkarren abholten. Um mit den öffentlichen Verkehrsmitteln dahin zu gelangen, müssten zwei verschiedene Tramlinien – oder der Bus und ein Tram oder die Forchbahn – benützt werden, wobei auch die öffentlichen Verkehrsmit- tel gerade zu den Stosszeiten notorisch überfüllt oder sehr stark ausgelastet sind. Wenn in Zukunft rund 500 Postfachinhaber jeden Tag rund eine halbe Stunde Mehraufwand haben, um die Postfächer an einem weit entfernten und schlecht zu erreichenden Standort zu lee- ren, bedeutet dies letztlich einen Arbeitsaufwand von rund 250 Stunden bzw. einen Aufwand von mehreren Tausend Franken täglich. Bei einem durchschnittlichen Aufwand von 100 Franken pro Postfachinhaber für entgangene produktive Arbeitszeit, Fahrt- und Transport- kosten entspricht dies einem Schadensbetrag von rund 25‘000 Franken, den die Post durch den Schliessungsentscheid täglich ihren Kunden verursachte. Und aus ökologischer Hinsicht ist die von der Post kommunizierte Lösung sowieso nicht zu verantworten. Insbesondere Rechtsanwälte (im Seefeld gibt es deren rund 600) und das Notariat sind auf Postfächer an- gewiesen, denn die durch die Zustellung von Gerichten und Behörden ausgelösten Fristen laufen vom Tag der Entgegennahme der Post an. Wird die Post erst mittags oder früh nach- mittags zugestellt – und davon muss nachweislich aufgrund von Erfahrungen nach der erfolg- ten Schliessung von Postämtern und Postfachstellen auf dem ganzen Kantonsgebiet ausge- gangen werden – verlieren die Bürger und Klienten bereits einen halben Tag der oft nur we- nige Tage betragenden Fristen.

Gemäss eidgenössischem Postgesetz (SR 783.0), Art. 1 Abs. 2, sollen der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige und qualitativ hochstehende Postdienste angeboten werden. Artikel 14 des Gesetzes verpflichtet die Post, vor der Schliessung oder Verlegung eines bedienten Zugangspunktes (das Postfachamt 8034 ist bedient), die Behörden der betroffe- nen Gemeinde anzuhören. Dabei wird eine einvernehmliche Lösung angestrebt.Der Gesetzgeber sieht dafür ein Schlichtungsverfahren vor. Beides scheint in diesem Falle nicht geschehen zu sein, zumal bis dato keine städtische Behörde mit den Betroffenen und deren Interessenvertretern (Quartier- und Gewerbeverein, Anwaltsverband, politische Partei- en etc.) Kontakt aufgenommen und/oder die Öffentlichkeit informiert hat. Auch die direkt be- troffenen Postfachinhaber wurden trotz Rücksendung eines durch die Post zugestellten Fra- gebogens mit darauf explizit vermerkter Aufforderung, bei Bedarf um Kontaktaufnahme durch die Post zu bitten, durch das Staatsunternehmen bis dato nicht kontaktiert.

In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Gemäss Artikel 34 der Postverordnung (SR 783.1) besteht eine Anhörungspflicht und, auf Verlangen seitens der betroffenen Gemeinden, die Pflicht zur Einleitung eines Eini- gungsverfahrens. Ist der Regierungsrat bereit, beim Stadtrat von Zürich vorstellig zu wer- den, damit dieser bewegt wird, die den Gemeinden durch das Gesetz gegebenen Mög- lichkeiten zur Interessenwahrung der Betroffenen, inklusive Einleitung eines Schlich- tungsverfahrens, wahrzunehmen? Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Stadtrat von Zürich vor und anlässlich der Schliessung der Postfächer der Poststelle 8033 Oberstrass im Jahre 2013 die Interessen der Betroffenen – wenn überhaupt – nur ungenügend wahr- genommen und auf die Anrufung der PostCom, zwecks Einleitung eines Schlichtungsver- fahrens, verzichtet hat (siehe Auszug Protokoll des Stadtrates von Zürich vom 21. August 2014 auf die Dringliche Schriftliche Anfrage im Oberdorf/Bartoldi und 31 Mitunterzeich- nenden, GR Nr. 2013/242).

2. Hat die Schweizerische Post, wie in Artikel 34 Abs. 2 der Postverordnung (SR 783.1) vorgeschrieben, die zuständige kantonale Stelle über die Gesprächsaufnahme und das Ergebnis betreffend die (geplante) Schliessung oder Verlegung der Post(fach)ämter 8034, 8033 und 8127 informiert? Wenn ja, wie und in welcher Form? Wenn nein, wie ge- denkt der Regierungsrat zu intervenieren oder wie hat er schon interveniert?

3. Bei der geplanten Schliessung des Postfachamtes 8034 und der im letzten Jahr erfolg ten Schliessung der Postfächer 8033 handelt es sich um keine Einzelfälle (siehe GR Nr. 2013/242, Antwort auf Frage 3.). So wurden auf dem Kantonsgebiet in den letzten zwei Jahren auch das Postamt 8127 Forch mit seiner verkehrstechnisch hervorragend er- schlossenen und seitens des Gewerbes überdurchschnittlich frequentierten Postfachstel- le sowie die vom Gewerbe stark nachgefragten Postfächer 8402 Winterthur Obertor ge- schlossen respektive aufgehoben. Auf dem Gebiet der Stadt Zürich plant die Post die Schliessung der Postfächer 8066 Letzipark und 8047 Albisrieden. Auch in Albisrieden scheint die Post mit derselben Masche vorzugehen wie in 8034 Riesbach: Verzicht auf Neuvermietung respektive Verweigerung der Anmietung vakanter Postfächer trotz Nach- frage, um dann bei Veröffentlichung des Schliessungsentscheids zu plädieren, die Post- fachanlage(n) sei(en) nicht ausgelastet.

4. Wird der Regierungsrat vor dem Hintergrund des geschilderten betriebs-, markt- und volkswirtschaftsschädigenden Handelns und des weiteren Abbaus des Service Public durch die Post beim Bundesrat und/oder bei der Geschäftsleitung der Post interveniert? Hat der Regierungsrat zwecks Einhaltung und Durchsetzung des gesetzlichen Auftrags für ein Angebot von vielfältigen, preiswerten und qualitativ hochwertigen Postdiensten schon interveniert? Wenn ja, wann, bei wem und mit welchem Resultat? Wenn nein, wa- rum gedenkt der Regierungsrat dies nicht zu tun?

Hans-Peter Amrein