Das Volk muss Chef bleiben

von Kantonsrat und Sektionspräsident Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht)

In mehreren Zürcher See-Gemeinden (Erlenbach, Küsnacht, Thalwil) wird, auf Antrag der Exekutive (Gemeinderat), am 13. Juni 2021 über eine neue Gemeindeordnung abgestimmt, welche den Exekutiven mehr Kompetenzen und dem Souverän weniger Mitspracherecht geben soll.

Die Politik in der Schweiz ist von «unten nach oben» und nicht von «oben nach unten» organisiert. Dies macht auch den Erfolg unseres Landes im Vergleich zu andern «demokratisch organisierten» Staaten aus. Statt das gewählte Exekutivmitglieder (Gemeinde-, Stadt- oder Regierungsräte) und/oder Parlamentarier der Bevölkerung den Weg weisen und Geld verteilen, um sich letztlich eine Wiederwahl zu sichern, muss das Volk die Konsequenzen seiner Entscheide selber tragen und finanzieren. Doch in letzter Zeit gibt es immer wieder Beispiele, wo seitens der Politiker und des Souveräns die direkte Demokratie als mühsam und hinderlich betrachtet wird und entsprechende Gesetze, teilweise via Notrecht (Corona-Gesetzgebung und -Verordnungen), von Parlamenten verabschiedet respektive von Regierenden erlassen werden und die Gemeinden zu Handlangern von Kanton und Bund werden. Dazu gehört auch, dass verfassungsmässig gültige, eidgenössische Volksinitiativen vom Parlament nicht umgesetzt werden.

Gemeinde Küsnacht: weniger Widerstand und Stärkung der Verwaltung

In Küsnacht wird über die Verkleinerung des Gemeinderates von derzeit 9 auf 7 Mitglieder abgestimmt. Der Gemeinderat begründet seine Vorlage (wird ohne erfolgte Vernehmlassung bei Parteien, Gewerbe und weiteren Interessierten zur Abstimmung gebracht) mit dem Hinweis, die Organisationsstrukturen der Gemeinde seien angesichts der gewachsenen Einwohnerzahl und der Komplexität der Aufgaben von Verwaltung und Exekutive – insbesondere auch aufgrund der Digitalisierung – nicht mehr zeitgemäss und zu wenig effizient. Die Exekutive solle sich in Zukunft vor allem auf ihre «strategischen» Führungsaufgaben konzentrieren, die Verwaltung auf das Tagesgeschäft. Wie die künftige Organisation der Gemeinde aussehen soll, will der Gemeinderat erst nach der Abstimmung offenlegen. Auch Varianten werden keine aufgezeigt. Niemand hat etwas gegen schlankere und effizientere Behörden- und Verwaltungsstrukturen. Doch im Fall Küsnacht würde die «Katze im Sack» gekauft. Deshalb hat sich die SVP Küsnacht einem breiten Parteien-Komitee, bestehend aus SVP, GLP, SP, Grüne, EVP, Bürgerforum und Rot-GrünPlus, angeschlossen, welches die Vorlage gemeinsam bekämpft. Gemäss Ansicht des Komitees führte die Vorlage zu erhöhter Arbeitsbelastung der einzelnen Gemeinderäte, das bewährte Miliz-System würde geschwächt, Pluralität (politische Meinungsvielfalt) und Know-how gingen verloren, es resultierten keine Kosten-Einsparungen und es würden wohl noch vermehrt Senioren, Vorruheständler und Staatsangestellte und weniger Gewerbetreibende und Unternehmer in der Exekutive Einsitz nehmen. Die Verwaltung würde gestärkt, die Führungsfunktion des Gemeinderates geschwächt.

Gemeinde Erlenbach: Demokratie und Mitwirkung der Stimmbürger schwächen?

Kritiker der Totalrevision der Gemeindeordnung bemängeln, dass die  Liegenschaftenkommission neu nicht mehr durch das Volk gewählt, sondern durch den Gemeinderat ernannt werden soll. Die Finanzkompetenzen des Gemeinderates sollen bei Liegenschaftengeschäften verdoppelt werden. Ein Kontra-Komitee und die lokalen Partei-Sektionen von GLP, Grünen und SP lehnen dies ab, der Vorstand der SVP bezeichnet die Kompetenzerhöhungen als «grenzwertig». Auf die Formierung einer Geschäftsprüfungs- und Rechnungsprüfungskommission (GRPK) und auf die (Möglichkeit der-) Einführung einer vorberatenden Gemeindeversammlung für Urnengeschäfte wird verzichtet.

Gemeinde Thalwil: Gemeinderat will weniger Widerstand

Umstrittenste Änderung in der Vorlage: künftig sollen kommunale Richtplanungen, die Bau- und Zonenordnung (BZO) sowie private Gestaltungspläne nicht mehr an Gemeindeversammlung behandelt, sondern der Urnenabstimmungen unterbreitet werden. Die öffentliche Diskussion und die Möglichkeit aktiver Einflussnahme seitens der Stimmbürgerschaft würde geschwächt.

Fazit

Steigende Einwohnerzahlen (2033: 10 Millionen Schweiz; Vorstadtgemeinden, welche mehr und mehr ihren Gemeindecharakter verlieren) und eine rasant fortschreitende Digitalisierung, welche oftmals nicht zur erhofften Rationalisierung führt, führen zu weiterer Aufblähung der Verwaltungen. Der Milizcharakter der Gemeinde-Exekutiven geht mehr und mehr verloren. Es werden Stimmen laut, welche den Gemeinderat, weg von seiner angestammten Führungsfunktion, zu einem grösstenteils «strategisch» tätigen Organ umpolen wollen. Gewerbler und selbständig tätige Personen sind aufgrund starker Arbeitsbelastung immer schwieriger für das Amt des Exekutivpolitikers zu begeistern. Gezielte und nicht immer faire Kritikhaltung seitens unterbeschäftigter Bürgerinnen und Bürger, welchen die etablierten Parteien vielmals nicht mit genügender Härte und Standhaftigkeit und teils ungenügendem Verständnis für eine gesunde Streitkultur gegenübertreten, kommt verstärkt auf. All dies sind Grüne, weshalb immer weniger im Berufsleben bewährte Frauen und Männer sich für ein Milizamt zur Verfügung stellen Ein neuer Typ Exekutivpolitiker wird geboren (so wie in der Wirtschaft ein neuer Typ Verwaltungsrat gefragt ist): Politiker mit pseudo Kursabschlüssen, mit CAS und MAS (geschwungen in Englisch Certificate- oder Master of Advanced Studies), keine Frauen und Männer mehr mit Kanten und Ecken und Erfahrung aus Beruf und Familie. Gegensteuer muss gegeben werden, die Gemeindewahlen 2022 stehen vor der Tür. Sonst ist leider das Ende des bewährten Schweizer Milizsystems absehbar.

Zitat: «Das Volk ist der Chef» alt Bundesrat Christoph Blocher