Was tun, wenn Politik und Verwaltung die Bürgerinteressen immer mehr marginalisieren?

– aus dem Zürcher Boten Nr. 14 vom 06.04.18

Realitäten wahrnehmen und handeln
von Kantonsrat Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht)

Anhand dreier Beispiele wird dargelegt, wie sich Teile von Politik und Verwaltung in unserem Kanton immer weniger der Sorgen und Interessen der Einwohner annehmen. Die Bereitschaft rasch, pragmatisch und unbürokratisch zu handeln geht verloren. Umso wichtiger ist es, dass bei den kommenden Wahlen den einzelnen Kandidaten auf den Zahn gefühlt wird und Wiederkandidierende aufgrund ihres Handelns und Einsatzes in der vergangenen Amtszeit bewertet werden.

Realitäten

Erstes Beispiel: in einer Zürcher Vororts-Gemeinde soll ein gut frequentierter Kindergarten mitten in einem Wohnquartier geschlossen werden. Eltern haben dagegen eine Petition eingereicht. Anlässlich einer Wahlveranstaltung werden die Kandidaten für die Schulpflege nach ihrer Meinung betreffend die anstehende Schliessung des Kindergartens angesprochen. Antwort eines der Kandidaten : er habe keine Meinung – man solle sich doch nach den Wahlen mit ihm an einen Tisch setzen und die Angelegenheit besprechen.

Zweites Beispiel: Tatort Kreuzung einer stark frequentierten Quartierstrasse mit einer Nebenstrasse in der Stadt Zürich, Polizeifahrzeug in Deckung. Mehrmals wöchentlich auf der Lauer, verzeigt die Stadtpolizei Fahrzeuglenker wegen verbotenem Linksabbiegen und Überfahren einer Sicherheitslinie. Im Jahre 2014 kam es zu 447 Verzeigungen, 2015 waren es deren 409 Verzeigungen, 2016 „nur noch“ 213 Verzeigungen. Die Zahlen für das Jahr 2017 und 2018 liegen bis dato liegen noch nicht vor – Annahme Tendenz wieder steigend. Busse pro Verzeigung, inklusive Schreibgebühren: rund 630 Franken. Ein lukratives „Geschäft“. Ein Betroffener wurde im Februar 2017 bei der städtischen Verwaltung und etwas später auch bei der Kantonsregierung vorstellig. Fazit: 3 Tage nach Kontaktnahme mit der Stadtverwaltung wurden Arbeiter dabei beobachtet, wie sie die nicht mehr gut sichtbare, durchgezogene Sicherheitslinie an der Kreuzung wieder in tadellosen Zustand verwandelten. Ansonsten hat sich seither nicht viel geändert: wackere Ordner der Sicherheit verzeigen weiter an besagter Kreuzung, mehrmals die Woche, fehlbare Fz-Lenker. Die Kantonsregierung, in ihrer Antwort auf Anfrage KR-Nr. 292/2017 „Richtlinien für die Gebührensätze der Übertretungsstrafbehörden“, handelte standesgemäss etwas subtiler. Sie gab zu Bescheid, auf das Jahre 2016 bezogen seien im Kanton Zürich durch die Stadthalterämter 32757 Ordnungsbussen wegen von Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz ausgesprochen worden. Davon seien 10801 Bussen zwischen CHF 251 und CHF 400 Franken erhoben worden. Nur diese Bussenbetragskategorie hat zusätzlich CHF 3’564’330 an Gebühren in die Staatskasse gespült. Trotz offensichtlichem „Massengeschäft“ erachtet der Regierungsrat eine feste Gebühr von CHF 330 pro jede Busse zwischen CHF 251 – CHF 400, unter anderem aufgrund des vorgelagerten Aufwands, als adäquat und bejaht dabei die Beachtung des Äquivalentsprinzips. Eine von der Justizdirektion und dem damaligen Regierungsrat Graf im Jahr 2012 eingesetzte und aus Vertretern der betroffenen Behörden zusammengesetzte Arbeitsgruppe habe die geltende Gebührenordnung ausgearbeitet…

Drittes Beispiel: das Amtsblatt des Kantons Zürich soll neu täglich (versus einmal die Woche, freitags) und nur noch elektronisch publiziert werden. Der Regierungsrat argumentiert, 80 % der Bevölkerung nutzten regelmässig das Internet. Der Zugriff zum Amtsblatt sei somit gewährleistet. Das 20% der Bevölkerung praktisch keine Möglichkeit haben, das Amtsblatt täglich einzusehen interessiert nicht mehr. Aufgrund höherer Gewalt, Ferien, nicht eingetroffenem Suchauftrag etc. verpassen auch natürliche und juristische Personen mit Internetanschluss es wohl genau dann, wenn es für sie von Wichtigkeit wäre, das Amtsblatt einzusehen. Amtliche Fristen können nicht eingehalten werden oder werden aufgrund der neuen, täglichen Publikationen unnötig verkürzt. Die Lösung des Problems liegt auf der Hand: auf die bewährte, wöchentliche Publikation des Amtsblattes zurückgreifen und durch die KDMZ, auf Abonnementsbasis, den Interessierten einen pdf-Ausdruck zur Verfügung zu stellen. Die Staatskanzlei des Kantons Zürich bunkert, der Fall liegt derzeit beim Bundesgericht!

Auf Sorgen und Nöte der Bürge eingehen und rasch handeln

Alle drei Fälle stammen aus den vergangenen 14 Monaten und alle wären oder sind „lösbar“. Seitens Regierung, Verwaltung und seitens des erwähnten Politikers (Kandidat Schulpflege) stünden und wären einfache Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, auf das begründete Unverständnis und die Sorgen der Betroffenen einzugehen. Ob schon nach einem offen, ehrlichen und direkten, lösungsorientierten Gespräch oder erst nach Rücksprache mit den übergeordneten Instanzen, sei dahingestellt. Mit der Digitalisierung (Beispiel Amtsblatt und Bussenschwerpunkt) kommen neue Problemstellungen auf Politik und Verwaltung zu.

Betroffene Bürger und Einwohner unseres Kantons müssen sich nicht immer mehr als Manövriermasse vorkommen, können und sollen doch die zuständigen Milizpolitikerinnen und Milizpolitiker (Schulpfleger, Gemeinderat, Kantonsrat oder sogar Regierungsrat) eingespannt werden. Das ist der ganz grosse Vorteil unserer direkten Demokratie.

Und alle vier Jahre gilt: „Wahltag ist Zahltag!“.