«Anfragen von Kantonsräten bleiben regelmässig unbeantwortet»

WENN DIE DEMOKRATIE NICHT ERNST GENOMMEN WIRD

Anfragen von Kantonsräten bleiben regelmässig unbeantwortet

Die Finanzdirektorin des Kantons Zürich liess zwei Dringliche Parlamentarische Anfragen grösstenteils unbeantwortet. Werden Anfragen nicht oder unvollständig beantwortet, so schwindet das Vertrauen in die Exekutive.

Anlässlich der Pressekonferenz zur besonderen finanzrechtlichen Regelung der
BVK-Sanierung stellte die Finanzdi rektorin des Kantons Zürich, Frau Regierungsrat Ursula Gut-Winterberger, die Behauptung auf, ein sehr grosser Teil der Ausgaben des Kantons sei «gebunden» (vgl. Kasten).

Dringliche Anfrage von SVP, GLP und BDP

Drei Kantonsräte von SVP, GLP und BDP reichten darauf eine von 71 Rats mitgliedern unterschriebene Anfrage ein (KR-Nr.15/2013, Dringliche Anfrage Amrein, Scherrer, Brazerol: Gebundene Ausgaben im Budget 2013 des Kantons Zürich und Definition «Gebundenheit») und baten den Regierungsrat, die folgenden Fragen zu beantworten: 1. Wie lautet die Definition des Regierungsrates von «gebundenen Ausgaben» und wie lautet die regierungsrätliche Definition von «gesetzlichen Verpflichtungen»? 2. Auf welchen Betrag belaufen sich die gemäss Definition und Auffassung des Regierungsrates «gebundenen Ausgaben» pro Leistungsgruppe im Budget 2013 und auf welchen Betrag belaufen sich die «gesetzlichen Verpflichtungen» pro
Leistungsgruppe im Budget 2013?

Gebundene Ausgaben und gesetzliche Verpflichtungen

Die Finanzdirektorin bezog sich in ihrer Antwort auf Frage 1 der Dringlichen Anfrage betreffend Definition von gebundenen Ausgaben auf drei Artikel im Gesetz über Controlling und Rechnungslegung (CRG) und auf zwei Artikel des Staatsbeitragsgesetzes. Zudem bezog sie sich auf ein Bundesgerichtsurteil (vgl. Kasten).
Nur lapidar liess Frau Regierungsrat Gut zur Frage betreffend Definition von gesetzlichen Verpflichtungen verlauten: Eine «gesetzliche Verpflichtung» könne im hier massgebenden Zusammenhang eine Verpflichtung zur Tätigkeit einer Ausgabe sein oder eine Verpflichtung, eine staatliche
Aufgabe zu erfüllen. Als Exekutive sei der Regierungsrat in erster Linie zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben verpflichtet. In der Regel bedinge der Vollzug staatlicher Aufgaben Ausgaben. Ob es sich dabei um gebundene Ausgaben handle, sei im Einzelfall gemäss den Ausführungen zu Artikel 37 CRG zu entscheiden.

«Kannitverstan»

Auf Frage 2 der Dringlichen Anfrage ging die Finanzdirektorin erst gar nicht ein und begründete dies wie folgt: Die verlangten Zahlen werden bei der Erstellung des Budgets nicht ermittelt und liegen deshalb auch nicht vor. Mittels einer zweiten Dringlichen Anfrage doppelten die gleichen Kantonsräte aus SVP, GLP und BDP nach (KR-Nr. 56/2013, Dringliche Anfrage Amrein, Scherrer, Brazerol: Anteil gebundener Ausgaben pro Leistungsgruppe im Budget 2013).
Leider erhielten sie wieder keine befriedigende Antwort, dafür auf zwei Seiten Kleingedrucktes, welches als wissentliches und willentliches finanzdirektorales «Kannitverstan» bezeichnet werden muss.

Fazit

«Die Demokratie lebt davon, dass sie viele Hüter hat.» (Johannes Gross, 1932–1999)
Die Finanzdirektorin des Kantons Zürich kann in schon fast diktatorischer Manier Anfragen aus dem Parlament grösstenteils unbeantwortet lassen.
Damit bleibt die unhaltbare Feststellung weiter im Raum stehen, sie, die Finanzdirektorin, habe bei der Budgetierung praktisch keinen Spielraum.
Ausgedeutscht will das heissen, die Regierungsrätin ist nicht bereit, eine Reduktion des Jahr für Jahr unverantwortlich und überproportional steigenden Aufwandes anzugehen.
Besonders betrüblich stimmt jedoch auch, dass der Regierungsrat zum wiederholten Male (vgl. Anfragen KR. 297/2011, Einparteiförderung der Zürcher Handelskammer und KR. 27/2012, Transparenz bei der BVK) keine oder nur ausweichende Antworten auf Anfragen erteilte und damit den einfachsten und, wenn von der Exekutive ernst genommen, effektiven parlamentarischen Vorstoss der Anfrage missachtet.
Dagegen «mit dem Zaunpfahl zu winken» und mittels Bezugnahme auf das Kantonsratsgesetz (LS 171.1), Artikel 33 (5. Interpellation und Anfrage, Verweigerung der Antwort), den Gesamt-Kantonsrat anzurufen, widerspricht den Grundsätzen politischen Wirkens des Schreibenden.

Was sind gebundene Ausgaben?

Gesetz über Controlling und Rechnungslegung des Kantons Zürich (CRG, LS 611); Artikel 34: Als Ausgabe im finanzrechtlichen Sinn gilt die Verwendung von Finanzvermögen zur Erfüllung öffentlicher Ausgaben;

Artikel 37, Absatz 1: Eine Ausgabe gilt als neu, wenn hinsichtlich ihrer Höhe, des Zeitpunktes ihrer Vornahme oder anderer wesentlicher Umstände eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit besteht; Artikel 37, Absatz 2: Eine Ausgabe gilt als gebunden, wenn sie a. zur Erfüllung von gesetzlich vorgeschriebenen Verwaltungsaufgaben zwingend erforderlich ist und namentlich der Beschaffung und Erneuerung der für die Verwaltungstätigkeit erforderlichen personellen und sachlichen Mittel dient, b. zur Erhaltung und zeitgemässen Ausstattung der vorhandenen Bausubstanz nötig ist, c. für Mietverträge erforderlich ist, die zwecks Erfüllung staatlicher Aufgaben abgeschlossen werden; vorbehalten bleiben Finanzleasinggeschäfte, d. die Planungs- und Projektierungskosten zur Vorbereitung eines Vorhabens betrifft.

Staatsbeitragsgesetz (LS 132.2);

Artikel 3, Absatz 2: Subventionen gelten als gebundene Ausgaben wenn a. durch Gesetz der Subventionszweck und der Höchstsatz festgelegt sind, b. sie aus einem im Gesetz vorgesehenen Rahmenkredit geleistet werden, c. das Gesetz die Bewilligung durch einen Voranschlagskredit vorsieht und Zusicherung, Abwicklung und Auszahlung im gleichen Rechnungsjahr erfolgen.

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 125 I 91) gelten Ausgaben als gebunden (und unterliegen damit nicht der Volksabstimmung), «… wenn sie durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind … ferner, wenn anzunehmen ist, die Stimmberechtigten hätten mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die daraus folgenden Aufwendungen gebilligt, falls gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass übernommenen Aufgaben gewählt werden …»;

Gesetz über das Gemeindewesen (Gemeindegesetz, LS 131.1);

Artikel 121: Ausgaben gelten als gebunden, wenn die Gemeinde durch übergeordnetes Recht, durch Gerichtsentscheide, durch Beschlüsse der zuständigen Gemeindeorgane oder durch frühere Beschlüsse zu ihrer Vornahme verpflichtet ist und ihr sachlich, zeitlich und örtlich kein erheblicher Entscheidungsspielraum bleibt;

Gemäss H. R. Thalmann, Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz, sind gebundene und neue Ausgaben komplementäre Rechtsbegriffe, jede Ausgabe, die nicht gebunden ist, gilt finanzrechtlich als neue Ausgabe, wo- bei der Begriff der neuen Ausgabe nicht der Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch entspricht.

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