Votum zum Antrag der Geschäftsleitung des Kantonsrates über die Erhöhung der Entschädigung seiner Mitglieder und Fraktionen
Sehr geehrter Herr Ratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren Ratsmitglieder:
Honni soit qui mal y pense – oder „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“
Haben Sie sich heute Morgen im Spiegel angeschaut, sehr geehrte Damen und Herren Kantonsrätinnen und Kantonsräte?
War es Ihnen dabei wohl? Ja?
Sollten Sie dem traurigerweise beim Souverän immer mehr vorherrschenden Politikerklischee entsprechen, nämlich dem der Abzockerin oder des Abzockers und von einer dem Volke entrückten Politikerkaste angehörend, dann verstehe ich dies!
Doch ich schätze die ganz grosse Mehrheit von uns hier im Rate ganz anders ein. Ich sehe Sie als aufrechte Milizpolitikerinnen und Milizpolitiker und die meisten unter uns sind keine und wollen keine Berufspolitiker sein oder werden.
Und so gehe ich davon aus, dass es Ihnen wie auch mir mit Bezug auf den von der Geschäftsleitung vorgeschlagenen Teil B dieser Vorlage immer noch „speiübel“ ist.
Oder täusche ich mich? Ist es ihnen „vögeliwohl“?
Warum stelle ich diese Fragen?
Weil das durchschnittliche Jahreseinkommen im Kanton Zürich 78‘000 Franken und das durchschnittliche Jahreseinkommen in der Schweiz 74‘000 Franken beträgt. Und wir soeben im Begriff sind, sollten wir dann dem Antrag der Geschäftsleitung in Teil B dieser Vorlage folgen, uns für unsere Miliztätigkeit weit über dem durchschnittlichen Jahreseinkommen zu entschädigen.
Was muss der Souverän, unsere Cheffen und Cheffinen – was müssen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Kanton Zürich von uns Kantonsrätinnen und Kantonsräten halten, wenn sie aus den Medien erfahren müssen, dass wir unsere Entschädigungen nach der 1. Lesung von Teil B der Vorlage auf fast das Doppelte des durchschnittlichen Einkommens einer Zürcherin und eines Zürchers anheben wollen? Und das für eine politische Wochenpräsenzzeit (ich sage extra nicht Arbeitszeit) von durchschnittlich 20%, maximal bei ganz wenigen unter uns (ausgenommen dem Präsium) von 30%.
Und das ist noch nicht alles!
Mittels eines Buebetricklis sollen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sogar zu diesem Geschäft gar nicht äussern können, aussen vorgelassen und mittels einer nicht referendumsfähigen Verordung elegant umgangen werden!
§ 10 Absatz 3 des neuen Zürcher Kantonsratsgesetzesvom 25 März 2019 sieht ausdrücklich vor, dass der Kantonsrat in einer Verordnung die Einzelheiten der Entschädigung regelt. Damit hat der Kantonsrat die Rechtssetzungskompetenz zur Festlegung der Entschädigungshöhe an sich selbst in seiner Funktion als Verordnungsgeber delegiert. Dagegen wurde nicht opponiert, weil wohl niemand – ich auch nicht – glaubte, dass sich der Rat schon 6 Monate nach Inkrafttreten des neuen Kantonsratsgesetzes in solch exzessiver Weise entschädigen will.
Der Kantonsrat ist daher rechtlich verpflichtet, in der Form einer Verordnung die Entschädigung seiner Mitglieder zu regeln.
Aus demokratischer Sicht ist es jedoch ein völlig legitimes Anliegen, die Entschädigungshöhe der Parlamentarier nicht ohne Mitspracherecht des Volkes festzulegen und es ist davon auszugehen, dass gegen eine solch exzessive Entschädigungshöhe wie von unserer Geschäftsleitung beantragt, beim Verwaltungsgericht Beschwerden geführt werden, welche wohl zur abschliessenden Beurteilung (Stichwort: Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen) ans Bundesgericht weiter gezogen werden könnten. Aus all diesen Gründen bitte ich sie, sehr geehrte Damen und Herren Kantonsrätinnen, auf diese Vorlage abzulehnen und die Geschäftsleitung damit zu zwingen eine neue, pragmatische und angemessene Vorlage auszuarbeiten und dem Rate vorzulegen.