Presseartikel: Eine Lanze brechen für die Laienrichter

Aus DER ZÜRCHER BOTE vom 16.5.2014

Anlässlich der Kantonsratssitzung vom vergangenen Montag hat eine Koalition aus CVP, FDP, GLP, GP, SP und AL mit 87 von 180 Stimmen eine Parlamentarische Initiative (PI) zwecks Abschaffung der Laienrichter vorläufig unterstützt.

Die Initiantinnen begründen ihren Antrag damit, dass nur ein Bezirksrichter oder -ersatz mit juristischem Studium den Anwälten auf gleicher Augenhöhe gegenüberstehen könne. Dazu ist diese Initiative untauglich: Würde für einen Richter ein juristisches Studium verlangt, dann verlangte man von ihm dasselbe wie für einen Auditor, also einen Praktikanten, welcher neu am Gericht anfängt. Auch dieser ist am Anfang nicht in der Lage, selbständig eine Funktion wahrzunehmen, und zwar noch nicht einmal als Gerichtsschreiber, geschweige denn als Richter. Ein Auditor muss zuerst während Monaten ausgebildet werden, bevor er später einmal als Gerichtssekretär eingesetzt werden kann. Und wenn nun von einem Richter verlangt würde, er müsse nur ein juristisches Studium haben, so müsste auch diese Person während Monaten eingearbeitet werden, genau so wie dies heute mit den Laienrichtern schon der Fall ist.

Bevormundung der Wähler

Wollte man wirklich aus fachlichen Überlegungen nur Leute, welche schon von Anfang an als Einzelrichter und auf Augenhöhe mit Rechtsanwälten wirken können, so müssten eine jahrelange Tätigkeit als Gerichtssekretär, eine jahrelange erfolgreiche Tätigkeit als Ersatzrichter sowie ein Zürcher Anwaltspatent vorausgesetzt werden.
So wie dies beispielsweise in den Bezirken Dietikon, Meilen, Winterthur und Zürich der Fall ist. Die politischen Parteien und die Stimmbürger in diesen Bezirken wollen das so, das haben auch die jüngsten Richterwahlen gezeigt. Laien hatten dort keine Chancen. Aber in anderen Bezirken – und das ist der Grund wieso man gegen diese PI sein muss – ist das anders. Da wollen die Wähler nach wie vor Laien. Diese werden von den Parteien vorgeschlagen und auch sehr gut gewählt. Mit der Initiative sollten dem Bürger die freie Wahl genommen und die Wähler in den Bezirken bevormundet werden. Das ist aus demokratischer Sicht höchst bedenklich!
Reichlich widersprüchlich, ja geradezu bizarr erscheint es, wenn Parteien diese PI unterstützen, gleichzeitig aber nach wie vor in den Landbezirken Laienrichter aufstellen, welche dann auch sehr gut gewählt werden. Es stünde diesen Parteien frei, auch ohne solche Vorschriften, nur noch Juristen aufzustellen. Oder brauchen diese Parteien solche Verbote, um sich gegen ihre eigenen Wähler durchzusetzen? Wie müssen sich Richter vorkommen, wenn sie einerseits von den Parteien der Initianten aufgestellt wurden, gleichzeitig aber von den gleichen Parteien und ihren Parlamentsvertretern zu hören bekommen, dass man solche Leute wie sie eigentlich gar nicht will?

Expertenkaste wird mächtiger

Kern der Initiative scheint zu sein, die freie Wahl der Bürger einzuschränken, diese weiter zu entmündigen und bei den Richterwahlen der Politik das Heft aus der Hand nehmen. Das ist nicht aus der Luft gegriffene Panikmache, wurde das Ganze ja schon bei den Staatsanwälten entsprechend durchexerziert. Auch dort fi ng es damit an, dass man Wählbarkeitsvoraussetzungen mit der Begründung schuf, man wolle das fachliche Niveau heben. Herausgekommen ist etwas völlig anderes: man hat den Zugang erheblich erschwert und die Kandidaten für das Amt eines Staatsanwaltes müssen sich nun unter anderem einem sogenannten Assessment, also einen Fähigkeitstest, unterwerfen.
Wenn Banken dies für ihre Kader so handhaben, dann ist es deren Sache – die Resultate einer solchen Auswahl und Personalpolitik sind ja hinlänglich bekannt. Und wer findet, bei einer Bank arbeiteten nur noch Komische, der kann die Bank wechseln. Mit der Justiz geht das aber nicht so. Bei gewählten Volksvertretern, etwa Kantons- oder Regierungsräten, geht es ja auch nicht an, dass Kandidaten zuerst durch eine halbesoterische camera obscura geschleust werden, bei der man nicht weiss, wer dort Einsitz hat, wer die Bevorzugten aus dem Kreis der Kandidaten nach welchen Kriterien ausgewählt hat, nach welchen Richtlinien die Auswählenden arbeiten und wer diese Richtlinien festgelegt hat.
Mit Demokratie hat das jedenfalls überhaupt nichts mehr zu tun, sondern es wird vielmehr einer demokratisch nicht legitimierten, undurchsichtigen Expertenkaste die Macht erteilt, letztlich zu entscheiden, wer ein bestimmtes Amt ausüben darf und wer nicht. Das Volk – aber auch die Politik und die politischen Parteien – werden so sanft und unmerklich entmachtet.
In gewissen hohen Gerichtskreisen – so wird mir zugetragen – wird schon seit Jahren postuliert, dass ein sogenanntes Fachgremium die Vorselektion von Richtern vornehmen soll, nach Kriterien, welche diese selbsternannten Experten festlegen. Das tumbe Volk soll und darf dann, als demokratisches Feigenblatt, diese Kür noch absegnen.
Die SVP-Fraktion wendet sich gegen diese schleichende Entmachtung der Bürger und gegen die Entdemokratisierung der Richter-Wahlen.

Der Zürcher Bote | Nr. 20 | Freitag, 16. Mai 2014 | Seite 3

Der Zürcher Bote | Nr. 20 | Freitag, 16. Mai 2014 | Seite 3