Notwendige Anpassungen bei Fahndungen und im Straf- und Massnahmenvollzug
aus dem Zürcher Boten vom 30.06.2017
Kantonsrat Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht) äusserte sich diese Woche im Kantonsrat zur Flucht eines Häftlings aus der Zürcher Strafanstalt Pöschwies und zu einem Mordfall im Zürcher Seefeld (Fall Kuster).
1. Vorfall
Seit der regierungsrätlichen Beantwortung einer Interpellation (KR-Nr. 251/ 2016) der Kantonsräte Amrein und Jürg Trachsel (SVP, Richterswil) zum Strafund Massnahmenvollzug und Fahndungen im Kanton Zürich vom vergangenen September gibt es neue Entwicklungen und Erkenntnisse zur Flucht eines Häftlings aus der Zürcher Strafanstalt Pöschwies und zu einem Mordfall im Zürcher Seefeld.
Der flüchtige Häftling, er soll sich auf seiner Flucht in den Kantonen Zürich und Bern aufgehalten haben, konnte erst – fast 7 Monate nach seiner Flucht – durch die Kantonspolizei Bern am 18. Januar dieses Jahres aufgrund eines Zufalls dingfest gemacht werden. Zur Festnahme kam es nach Hinweisen der australischen Behörden an ihre Berner Kollegen aufgrund eines versuchten illegalen Waffenkaufs im Darknet. Ein Geständnis im Mordfall Seefeld liegt im Grundsatz vor, zwei weitere Personen wurden festgenommen, eine davon soll sich derzeit noch in Haft befinden.
Während ein grosser Teil der Fragen in der Interpellationsantwort umfassend und ausführlich beantwortet wurde, bleiben dennoch ganz grundsätzliche Feststellungen und stellen sich aufgrund der neuen Erkenntnisse neue Fragen.
2. Grundsätzliche Feststellungen
Aufgrund des Hergangs der Delikte muss wieder konstatiert werden, dass ein zu lasches Strafrecht in unserem Land im Bereich Gewaltdelikte dem Vorgefallenen auch in diesem Falle förderlich war.
Ebenso zeigt es sich zum wiederholten Mal, dass Richter an unserem obersten kantonalen Gericht oftmals den Strafrahmen nicht ausnutzen.
Der Strafvollzug liegt in der Verantwortung der kantonalen Justizbehörden. Bei einer endlichen Freiheitsstrafe, und da ging der Votant mit der Justizdirektorin einig, kommt der Täter am Tag X wieder raus. Eine Therapierung muss und soll deshalb bei Haftbeginn an die Hand genommen werden. Dazu gehört in der letzten Phase vor der Haftentlassung, wie in unseren Gesetzen festgeschrieben, auch der Hafturlaub. Doch dabei sind die psychiatrische Beurteilung des Häftlings und Einschätzungen betreffend Rückfallgefahr sowie Kooperationsbereitschaft und Verhalten des Strafgefangen massgebend!
3. Neu sich stellende Fragen und Erkenntnisse nach Flucht und weiterem Kapitalverbrechen
Wie konnte es dem flüchtigen Gewalttäter gelingen, 7 Monate lang, durch die schweizerischen Fahndungsorgane unentdeckt, mit seinen Fluchthelfern und wohl auch mit Dritten zu kommunizieren? Welcher elektronischer Kommunikationsmittel und welcher Kommunikationskanäle hat sich der Flüchtige bedient? Mittels welcher, in unserem Lande praktisch abhörsicheren Kommunikationsdienste ist dies geschehen?
Die Fluchthilfe, glaubt man Presseberichten, soll aus der unmittelbaren Umgebung des Täters und seinem Bekanntenkreis erfolgt sein. Warum ist es den Zürcher Behörden nicht gelungen, den Flüchtigen innert nützlicher Frist und lange vor dem Zufallserfolg der Berner Behörden dingfest zu machen? Konnten und werden daraus für die Zukunft Lehren gezogen?
Die Aussage von Herr Thomas Manhart, Leiter Amt für Justizvollzug, dass es offensichtlich bei der psychiatrischen Beurteilung des Häftlings zu Fehleinschätzungen gekommen sei, steht weiter im Raum und wird mit der Beantwortung einer weiteren Interpellation unter dem Titel «Psychiatrische Gutachten und mögliche Folgen» (KR-Nr. 32/ 2017) von Kantonsrat Rolando Keller (SVP, Winterthur) nicht etwa entkräftet, sondern bestätigt. Und weder wird diese Feststellung durch die Beantwortung der Frage 5 der Interpellation noch mittels der Medienmitteilung der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Kantonsrates vom 16. Juni 2017 entkräftet – Zitat aus der Medienmitteilung der Geschäftsprüfungskommission: «Der Auftrag des Strafgesetzes lautet, das soziale Verhalten des Gefangenen zu fördern, insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben. Der Strafvollzug hat den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit als möglich zu entsprechen, die Betreuung des Gefangenen zu gewährleisten, schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs zu gewährleisten etc.» Dieses Zitat zeugt vom in unserem Lande in extremis gelebten Gutmenschentum und grenzenlosem Glauben an das Gute!
Ein Gewalttäter, der neben anderen gravierenden Taten wie einem Sprengstoffanschlag, Nötigung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, räuberische Erpressung, mehrfacher Hehlerei, Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz, etc. ein Opfer auf offener Strasse entführt, es schlägt und traktiert, mit Waffengewalt bedroht, in gefesseltem Zustand gefangen hält, es zwischendurch im Wald auslädt und auffordert, mit einer Schaufel sein eigenes Grab zu auszuheben, wobei es mit zwei Schüssen aus einer Schreckschusspistole zusätzlich eingeschüchtert wird, bevor man es dann nach erneutem Einsperren im Laderaum eines Wagens, Schlägen und Weiterfahrt, noch immer an den Händen gefesselt, aus der geöffneten Laderaumtür in den Schnee spediert und allein zurücklässt, ein solcher Gewalttäter ist mit allerhöchster Vorsicht zu behandeln. Weigert sich dieser Delinquent auch noch, einer stationären Massnahme zuzustimmen, sind nur die gesetzlich vorgeschriebenen, minimalen Haftvollzugserleichterungen zu gewähren.
Das bei einem solchen Deliktskatalog und durch den Häftling nach erfolgter Flucht aus dem Gefängnis verübtem Mord in der Interpellationsantwort noch mit ISO 9001 argumentiert wird (Zitat: «Genauso wird mit ausgefeilten Kontrollmethoden die zweckmässige Durchführung der Therapie sichergestellt. Diese Vorgehensweise wurde gemäss der Qualitätsnorm ISO 9001 zertifiziert») ist absurd, doch entspricht dies wohl auch dem Zeitgeist. Aufgrund der geltenden Gewaltentrennung ist es nicht Sache der Legislative, Urteile der Judikative zu kritisieren und die Mitglieder der Legislative haben sich grösste Zurückhaltung bei der Kommentierung von Gerichtsurteilen zu auferlegen. Dennoch ist nach Einsicht in ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer (vom 20. September 2015) und in die ausgesprochen detailliert ausgeführte Urteilsfindung festzuhalten, dass das Gericht dem Wunsch des angeklagten Gewalttäters betreffend Verhängung einer ambulanten, psychiatrischen Massnahme den Vorzug gegeben hat und nicht etwa der Einschätzung eines Gerichtsgutachters und auf die Verhängung einer stationären psychiatrischen Massnahme gefolgt ist.
4. Richtlinien und Empfehlungen des Ostschweizer Strafvollzugskonkordates
Mit den Richtlinien, Empfehlungen und Merkblättern des Ostschweizer Strafvollzugskonkordates (publiziert sind deren 25 mehrseitige und teilweise komplizierte Handlungs- und Ausführungsvorschriften) ist die Grundlage für den in der Ostschweiz überaus verbürokratisierten und teilweise geradezu laschen Strafvollzug gelegt. Hier herrscht dringender Korrekturbedarf: Die Vorschriften müssen nicht nur gekürzt sondern teilweise auch strafvollzugkonform korrigiert werden.
5. Fazit
Das in unserem Land geltende lasche Strafrecht im Bereich Gewaltdelikte und zum Teil viel zu lockere Massnahmen im Strafvollzug, müssen dringend korrigiert werden. Und anstatt in Deckung zu gehen, wenn es im Einflussbereich der Direktion der Justiz und des Innern wieder einmal lichterloh brennt (Stichwort Gefangenen-Ausbruch Dietikon), und gezielt selber und durch ihren Kommunikationsbeauftragten Nebelpetarden werfen zu lassen – oder noch fragwürdiger – mittels utopischer Forderungen das in unserem Lande wie in allen Demokratien geltende Stimmrecht von «ein Mann, eine Frau, eine Stimme» infrage zu stellen – sind jetzt seitens der Justizdirektorin, Frau Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), andere Schritte gefordert.
Der Justizdirektorin ist etwas mehr Mut zur Sachlichkeit zu wünschen, darf doch davon ausgegangen werden, dass eine Mehrheit der Zürcher Bevölkerung von Ihrer Regierung und damit auch von der mit den Amtsgeschäften der Justizdirektion und des Innern bedachten Politikerin erwartet, dass die Magistratin in Bern vorspricht und dieselben Forderungen – wie sie auch Nationalrätin Natalie Rickli (SVP, Winterthur) in einem konkreten Vorstoss (Geschäftsnummer 16.3915) ausformuliert hat – mit Nachdruck stellt und bekräftigt.
Auch der Bundesgesetzgeber ist gefordert: Sich als nicht oder nur bedingt kooperativ zeigende Gewalttätern soll die Haft grundsätzlich nicht erleichtert werden!