Nach 185 Jahren wird das Zürcher Amtsblatt nicht mehr gedruckt

–aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 28.12.2018

Das Bundesgericht hat Beschwerden gegen die neue Publikationsverordnung des Zürcher Regierungsrats abgewiesen. Damit verschwindet das gedruckte Amtsblatt und lebt lediglich als täglich aktualisierte Internetausgabe weiter.

Am 1. April 1834 ist das Zürcher Amtsblatt erstmals in gedruckter Form erschienen. Nun wandert es ins Internet ab und wird nicht mehr wöchentlich, sondern täglich publiziert. Beschwerden von Kantonsrat Hans-Peter Amrein (svp.) und der Zürcher Sektion des VCS gegen die entsprechende Verordnung hat das Bundesgericht soeben abgewiesen. Die Beschwerdeführer hatten vor allem moniert, dass durch die Neuerung ältere Menschen diskriminiert würden, die nicht über einen Internetanschluss verfügten. Zudem hatten sie beanstandet, dass es mit der täglichen Publikation zu unterschiedlichen Rechtsmittelfristen komme.

Nur wenige Abonnenten

Dem Regierungsrat dagegen ging es vor allem um praktischeÜberlegungen, als er im Herbst 2017 die neue Publikationsverordnung erliess. Dass die Verringerung des Aufwands im öffentlichen Interesse liege, sei «ohne weiteres nachvollziehbar», findet nun auch das Bundesgericht. Heikler erschien ihm die Frage, ob die tägliche Veröffentlichung verhältnismässig sei. Das Gericht hatte unter anderem zu prüfen, ob es für die Verordnung eine ausreichende Gesetzesgrundlage gibt und ob sie gegen übergeordnete Bestimmungen verstösst.

Es handle sich bei der Änderung tatsächlich um einen Eingriff in die Informationsfreiheit, steht im Urteil. Allerdings wiege dieser nicht sehr schwer, und die Auswirkungen seien gering. Mit der Publikation im Internet werde der Zugang zu den amtlichen Informationen, die von der Ausschreibung von Baugesuchen bis zu neuen Gesetzen reichen, sogar einfacher als zuvor. Erschwert werde er allerdings für jene, die nicht oder nicht täglich Zugang zum Internet hätten.

Die Zahl der Abonnenten der gedruckten Ausgabe belaufe sich allerdings auf nur gerade 1600 – was angesichts der rund 700 000 Zürcher Haushaltungen und der rund 100 000 Betriebe sehr wenig sei. Wer keinen Internetanschluss habe, könne zudem bei der Gemeinde Einsicht nehmen und sich die Informationen sogar ausdrucken lassen. Das sei so in der Verordnung vorgesehen. Überdies sei der Wechsel nicht abrupt: Es habe eine Testphase gegeben, und jetzt habe sich die Inkraftsetzung wegen des Prozesses weiter verzögert.

Fristen werden kürzer

Die Beschwerdeführer hatten es als unzumutbar beurteilt, täglich das Amtsblatt zu konsultieren. Dies sei auch nicht nötig, findet nun das Bundesgericht. Man könne seine Gewohnheiten beibehalten und weiterhin nur einmal die Woche die Mitteilungen abfragen. Bei den 30-tägigen Einsprache- und Beschwerdefristen verblieben dann ja auf jeden Fall noch 25 Tage, um zu handeln. Anders sehe es bei den kurzen Fristen im Bereich der politischen Rechte und der Rechtsetzung aus. In diesem Bereich würden aber die Mitteilungen weiterhin «in der Regel» am Freitag erscheinen.

Auch die Gesetzesgrundlage erscheint dem Bundesgericht als ausreichend. Im Publikationsgesetz sei ja die Rede davon, dass der Regierungsrat die amtlichen Publikationen zusätzlich in gedruckter Form veröffentlichen könne – es sei ihm also freigestellt, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch mache.

Beschwerdeführer unzufrieden

Hans-Peter Amrein kann das Urteil nicht nachvollziehen. Es sei unverständlich und arrogant, sagt er auf Anfrage. Die Bürgerrechte würden durch die neue Verordnung beschränkt, es handle sich um eine Massnahme «von der Verwaltung für die Verwaltung». Gerade Handwerker hätten das Amtsblatt bisher stark genutzt; es sei ihnen nicht zuzumuten, die Mitteilungen täglich zu prüfen. Gabi Petri, Co-Geschäftsführerin des VCS und Kantonsrätin der Grünen, bedauert, dass es nun aufwendiger werde, die amtlichen Mitteilungen zu verfolgen. Man werde den Verdacht nicht los, dass es den Behörden gerade recht sei, wenn sich dadurch ihr Handeln ein Stück weit der Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger entziehe. Damit zeige die Regierung aber wenig Souveränität.