Einseitige Zusammensetzung einer Gerichtskammer…

Kommentar zur Ratssitzung

Am vergangenen Montag wurde über die Abnahme der Rechenschaftsberichte 2016 der drei hohen Zürcher Gerichte (Obergericht, Verwaltungsgericht und Sozialversicherungsgericht) debattiert.

Im Rahmen der Debatte zum Rechenschaftsbericht des Verwaltungsgerichts ging es untere anderem um einen gravierenden Missstand bei der Zürcher Gerichtsbarkeit, welchen die Gerichte selber beheben könnten: Die Gerichte konstituieren sich selbst. Anlässlich einer Plenarsitzung (vollzählige Versammlung aller an einem Gericht tätigen Richter) wird über die Kammerzusammensetzung, die Abteilungspräsidien und das Gerichtsprä- sidium bestimmt.

Jedes Mitglied des Gerichts hat eine Stimme, ob im Teil- oder im Vollamt sei dahingestellt. Dieses Abstimmungsprozedere ist als höchst fragwürdig zu beurteilen. Im Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, Ergänzungsband, Jahr 2000 (die zürcherische ZPO wurde zwischenzeitlich durch die eidgenössische ZPO ersetzt, doch die geschilderte Problematik ist geblieben und entsprechend «gilt» die Literatur und wird auch in anderen Zusammenhängen zitiert) äusserte sich Herr Dr. Richard Frank, ehemals Richter am Obergericht des Kantons Zürich, wie folgt: Ohne z.B. auf die Problematik der Neubesetzung einer teilamtlichen Stelle näher einzugehen, springt in die Augen, dass der Kantonsrat die vom Regierungsrat in Anlehnung an VRG 39 vorgeschlagene Regelung (Vorlage § 26a) nicht in das Gesetz aufgenommen hat, nämlich im Rahmen des Gesamtgerichts betrage die Stimme der teilamtlichen Mitglieder einen Bruchteil der Stimme eines vollamtlichen Mitglieds, entsprechend dem durch das Obergericht bezugsweise den Kantonsrat festgelegten Beschäftigungsgrad. Diese Überlegung dürfte auch so ihre Geltung haben. Ende Zitat. Aufgrund dieses Wahlverfahrens spricht derzeit an der 4.Abteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich eine äusserst heterogene Kammerzusammensetzung Recht.

Zeuge dafür ist ein Urteil, Geschäftsnummer VB.2016.00628, in 3er-Besetzung, unter Vorsitz des Kammer-Präsidenten Herr Dr. Jso Schumacher (Grüne Partei), Frau Dr. Tamara Nüssle Brunschwig (SP und Mitglied der linken Vereinigung Demokratische Juristinnen und Juristen Zü- rich) und Herr Dr. Marco Donatsch (Anwalt der Gewerkschaft SEV und seit nicht allzu langer Zeit offensichtlich BDP-Mitglied). Die Kammer, wie belegt in ausgesprochen einseitiger Zusammensetzung, hat entschieden, dass der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) vom Regierungsrat als «ständiger Verhandlungspartner in personalpolitischen Fragen» anerkannt werden muss.

In der Zürichsee-Zeitung war dazu zu lesen: Die Richter adeln den VPOD in ihrem Entscheid als schweizweit tätigen Personalverband und einzig namhafte Minderheitsgewerkschaft im Kanton Zü- rich:«Der VPOD sei als repräsentativ und loyal zu betrachten». Die Wortwahl im Urteil ist Zeuge der politischen Gesinnung dieses Spruchkörpers und der in unserem Lande fortschreitenden Verpolitisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das dem Kanton Zürich und somit den Steuerzahlern auch noch die Gerichtskosten und eine Entschädigung an den VPOD auferlegt wurden, ist noch ein Detail.

In einem vielbeachteten Kommentar in der Neuen Zürcher Zeitung vom 15.Juni 2017 bringt es Frau Katharina Fontana unter dem Titel «Demokratie statt Richterstaat» auf den Punkt: «Bundesrichter sollen Recht sprechen und nicht Politik machen. In der Praxis ist das heute oft anders. Die Verantwortung dafür trägt auch das Parlament, das sich vor schwierigen Entscheiden drückt.»

Es gab eine Zeit, da tagten die Zürcher Bezirksgerichte in heiklen Ausnamefällen in 5er-Besetzung. Und unser Bundesgericht tagt bei schwierigen und grundsätzlichen Fällen und zu Leitentscheiden in 5er-Besetzung. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat es in der Hand sicherzustellen, dass die Kammerzusammensetzungen eine minimale Ausgewogenheit repräsentiert, indem es das geltende Wahlprozedere korrigiert oder aber zumindest bei politisch heiklen Leitentscheiden dafür besorgt ist, dass einer einseitigen Kammerbesetzung und damit Winkelzügen und Exzessen, wie den geschilderten, ein für alle Mal ein Riegel geschoben wird!

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