Diskrepanzen bei oberstaatsanwaltschaftlichen Verlautbarungen

Korrekte Medienarbeit versus gezielte, politische Verlautbarungen

Diskrepanzen bei oberstaatsanwaltschaftlichen Verlautbarungen

Überlegungen zum medialen Wirken des Leitenden Oberstaatsanwaltes des Kantons Zürich und der oberstaatsanwaltlichen Medienstelle,
von Kantonsrat Hans-Peter Amrein, Küsnacht

Rechtsgrundlagen und Weisung zur Medienarbeit der Zürcher Staatsanwaltschaft

Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert das Recht auf ein faires Verfahren.

In der Weisung der Oberstaatsanwaltschaft (OSTA) für das Vorverfahren (WOSTA), Seiten 286 ff., wird die Medienarbeit der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich wie folgt definiert:

„Wahrheit, (gerechtfertigte) Offenheit und Glaubwürdigkeit sind die Kommunikationsgrundsätze der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Primär dient die Information dem Vorverfahren und liegt in der Regel im pflichtgemässen Ermessen der Verfahrensleitung der Staatsanwaltschaft. Die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit soll zeitnah, transparent und so offen wie gesetzlich möglich erfolgen. Wer informiert, schafft Vertrauen“.

Theorie und Praxis

Der Leitenden Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich, Herr Dr. iur. Andreas Brunner, lässt sich in der Zeitschrift „die letzte Pendenz“ Nr. 3/13, unter dem sinnigen Titel „Rauchzeichen“, wie folgt verlauten:

…Oder wollen diese Menschen den Beanzeigten oder die beanzeigte Firma oder Institution – vielleicht auch die Strafverfolgungsbehörden selbst – von Anfang an in Misskredit bringen oder zu einer Stellungnahme in der Öffentlichkeit „motivieren?“ Ausser Werbung für sich   oder für die vertretene Auffassung, Pranger und Vorteil fällt mir neben Mischformen keine andere Variante ein. Jedenfalls muss diesen Menschen gesagt werden, dass ihr Vorgehen für die Untersuchung wenig förderlich ist, diese vielmehr erschweren oder gar verunmöglichen kann. Stets um korrekte Lösungen bemüht, empfehle ich Ihnen, ihre Anzeige nicht sofort öffentlich zu machen, sondern in der Anzeige den Antrag zu stellen, es sei die Öffentlichkeit von der Einleitung bzw. Eröffnung des Verfahrens zu orientieren (Art. 74 StPO). Ein allfälliger negativer Entscheid wäre sicher beschwerdefähig (Art. 20 StPO). Ende Zitat.

Die Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft hat sich gemäss NZZ online vom 4. Juli 2013, „Affaire Mörgeli – Die Universität schaltet den Staatsanwalt ein“, zu einem Schreiben der Universität Zürich an die Staatsanwaltschaft geäussert: …die OSTA verstehe das Schreiben als Anzeige und behandle es dementsprechend. Ende Zitat.

Demgegenüber wollte der Sprecher der Universität, immer gemäss NZZ online, die Eingabe explizit nicht als Anzeige bezeichnen.

Folgerung

Zum wiederholten Mal agierte die Medienstelle der OSTA als Medienankündigungsstelle. In die oberstaatsanwaltschaftlichen Verlautbarungen (via Medienstelle oder direkt durch den leitenden Oberstaatsanwalt, wie wieder einmal in der letzten Pendenz geschehen) scheinen auch politische Motive eingeflossen zu sein.

Solche Äusserungen sind grundsätzlich nicht tolerierbar und der Regierungsrat, vertreten durch den Direktor der Justiz und des Innern, Herr Regierungsrat Martin Graf (Grüne),  ist gut beraten, ein solches Verhalten ein für allemal abzustellen und entsprechende Konsequenzen (Vorpensionierung des Leitenden Oberstaatsanwaltes und Ablösung der Mediensprecherin) zu ziehen.

Das Tüpfchen auf dem i bildet in dieser Sache die Aussage des Leitenden Oberstaats-anwaltes in der Leitkolumne der letzten Pendenz, Nr. 2/13: Ein namhafter Historiker und bedeutender Politiker meinte neulich, die hoch bezahlten Rechtsverfolger“ (sic!) wären „meilenweit abgehoben vom Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“. Diesem Mitmenschen sei sanft in Erinnerung gerufen, dass nicht das medial geschürte Empfinden, vielmehr die – auch von ihm – erlassenen Gesetze für die Rechtsanwender massgebend sind. Ende Zitat.

Ist eine solche Aussage mit der eingangs dieses Artikels dargelegten Rechtsgrundlage und Weisung vereinbar? Wohl nicht, sollte es sich wie vermutet beim namhaften Historiker und bedeutenden Politiker um eine Person handeln, welche in ein laufendes Verfahren involviert ist, zu welchem fast gleichentags mit dem Erscheinen der „letzten Pendenz“ die Medien-sprecherin der OSTA die oben zitierten Aussagen machte!