Die erste Corona Welle ist langsam am abklingen, doch es werden viele kleine und grosse Entscheide fällig. Gedanken zur derzeitigen, ausserordentlichen Lage.

Zürcher Bote, 9. April 2020

Kühlen Kopf behalten

von Kantonsrat Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht)

Die erste Corona-Welle ist langsam am abklingen – wird es eine zweite Welle geben? Und was wären deren Implikationen? Wir wissen es nicht, wie wir auch nicht wissen wie stark die wohl unvermeidliche Rezession unser Land, unsere Nachbarländer, Europa und die ganze Welt treffen wird? Und fast sicher ist, dass mit weiteren Verwerfungen zu rechnen ist, welche unsere Volkswirtschaft und die weltweiten Finanzmärkte erschüttern werden. Können wir uns darauf vorbereiten? Wohl nur bedingt; aber mit einem kühlen Kopf und einigen, wenigen Grundsätzen sollte es etwas leichter fallen, den kommenden Herausforderungen für unseren Kanton und die privaten Haushalte zu begegnen und zu trotzen.

Reminiszenzen

Bäckerei-Ladenketten, welche kein Bargeld mehr annehmen, lokale Apotheken mit Beschilderung am Eingang «Nur mit Karte», Banken, welche die lokale(n) Filiale(n) schliessen und ihre Kundschaft nicht oder nur rudimentär im Internet (ohne entsprechendem Vermerk auf der Internetseite der betreffenden Filialen) darüber informieren. Eine Grossbank, welche ihre Filiale mit Schliessfächern in einer Vorortsgemeinde an einem schönen Montag einfach schliesst und keinen Hinweis darauf gibt, wohin und an wen sich die Schliessfachkundschaft wenden soll? Eine Kantonalbank ohne Goldmünzen im Angebot  («ausverkauft»), gleichzeitig Goldmünzen im Verkauf von anderen Banken mit einem Aufpreis von bis zu 100 Franken pro Stück und mehr. Eine geöffnete Filiale eines Grossverteilers mit fast vollständigem Papeteriesortiment, ein paar Meter daneben das per Dekret des Bundesrates geschlossene Papeteriegeschäft eines Einzelhändlers sowie eine Filiale der Post, welche ihre Papeteriewaren aus den Regalen genommen hat. Händler berichten von 20% mehr Heizölverkäufen auf Jahresbasis in den letzten 6 Wochen. Das alles sind keine Reminiszenzen, sondern waren oder sind Fakten, am Dienstag, 7.4.2020, im Grossraum Zürich. Reminiszenzen sind mit enormen Mengen von Toilettenpapier beladene Mitmenschen, Hamsterkäufe von Esswaren, ausverkauftes Mineralwasser und damit verbunden, leere Regale in Lebensmittelläden und bei den Grossverteilern. Doch die Grundversorgung in unserem Land funktioniert und hat immer funktioniert, Panik war und ist nicht angebracht.

Helfen und vorsehen

Die Regierung führt und die Mehrheit der Bevölkerung hält sich an die Auflagen von Bundesrat und Kantonsregierungen. Grosse Solidarität wird derzeit in unserem Land gelebt, sie funktioniert. Die verschiedenen Risikogruppen werden mit Einkäufen unterstützt und Freunde und Bekannte, welche allein sind oder ihr Heim nicht verlassen können werden regelmässig mit Telefonaten aufgemuntert. Dies ist auch während der Ostertage enorm wichtig!  

Die Schulen sind geschlossen und unsere Kinder erhalten bis Ostern Fernunterricht. Ob die Schulen nach den Ferien wieder geöffnet werden, steht derzeit in den Sternen. Bis dahin sitzen unsere Kinder und Jugendlichen, mehr oder weniger an die eigenen vier Wände gebunden, zwei Wochen zuhause und müssen sich beschäftigen oder beschäftigt werden. Das alles ist und wird für viele Alleinerziehende und Familien mit beiden Elternteilen, welche berufstätig sind, nicht ganz einfach. Hier können Freunde und Nachbarn, auch ohne direkte Präsenz, ideenreich und vielseitig den Alltag verbessern helfen.

Das Spielen lassen

Am kommenden Osterwochenende werden wieder einige, wenige Unbelehrbare aus dem Raster fallen und das Erreichte in Frage stellen (wie etwa die Rudel von Fahrrad- und Motorradfahrern, welche das schöne Wetter geniessend landauf und landab kurven um dann in Gruppen, eng aneinander gereiht zu rasten, sowie Karawanen von Wintersportlern, wie vergangenes Wochenende am Flüelapass und an anderen Frühjahrsskigebieten gesichtet). Und Müssiggänger an vielen Fliessgewässern werden sich wieder nicht an die Regeln halten.

Spieler haben Hochkonjunktur: an der Börse wurden schweizerische Obligationen mit Auf- und Abschlägen von bis zu 5% gehandelt, Online-Casinos verzeichnen enormen Zuspruch und die Börsen steigen und fallen an einem Tag mehrere Prozent. Ein unverständliches oder unnötiges und gefährliches Treiben.

Doch was, wenn das Web ausfällt, das Elektrizitätsnetz zusammenbricht oder die Börsen aufgrund von Fundamentaldaten einbrechen? Ein gewisser Notvorrat ist jetzt wohl in jedem Privathaushalt vorhanden. Was aber mit den Tiefkühltruhen und deren Inhalt, wenn der Strom ausgeht und was mit Plastikgeld, welches aufgrund von fehlendem Internet nicht mehr funktionierte? Auf einmal sind die altehrenwürdige Vorratskammer und Bargeld wieder gefragt. Selbst- und Nachbarschaftshilfe werden essenziell. Bonität ist angesagt und die Qualität der hohen Kante unabdingbar.

Das lokale Gewerbe unterstützen

Selbstständigerwerbende und Kleingewerbereibende, besonders im Dienstleistungssektor, sowie Gastwirte und Hoteliers haben es derzeit besonders schwer. Nicht wenige von ihnen offerieren ihre Dienstleistungen, da wo möglich, via Internet oder über Heimlieferdienste Gewerbevereine haben Listen des lokalen Angebotes erstellt, welche auf den einschlägigen Webseiten veröffentlicht werden. Solche Listen mit dem Angebot des lokalen Gewerbes liegen auch in den Läden von Grundversorgern auf oder wurden in alle Haushaltungen verteilt. Damit muss an Ostern auch nicht auf ein feines Gericht des lokalen Restaurants verzichtet werden, die Hauslieferdienste funktionieren oder die Menus können vor Ort abgeholt werden. Und Bons von Coiffeuren, Kosmetikstudios oder Weinhändlern, nur um einige Beispiele zu nennen, sind willkommene kleine Osterpräsente, nicht nur für Familie und enge Freunde, sondern auch für Mitmenschen, welche allein das Fest der Freude verbringen. Nichts steht einem wunderschönen Osterfest im Wege!

Fazit

Die kommenden zwei bis drei Wochen in Quarantäne – und das bei «Kaiserwetter» – werden hart, sind aber unerlässlich. Disziplin und Durchhaltewille sind jetzt angesagt um das Erreichte nicht in Frage zu stellen. Nach der Gesundheitskrise (und hoffentlich keiner zweiten-) wird es unweigerlich zu einer Rezession kommen. Auch die nächste Klippe kann nur mit kühlem Kopf, Voraussicht und gelebter Solidarität erfolgreich umschifft werden.