Datenschutz vor Täterschutz

Am vergangenen Montag befasste sich der Kantonsrat mit einer parlamentarischen Initiative zur Ergänzung des Polizeigesetzes und der Schliessung einer Gesetzeslücke: Die Polizei soll die zur Identifikation von Personen erforderlichen Angaben in den Neuzuzugsmeldungen von Gemeinden zur Gefahrenabwehr, zur Strafverfolgung und zur Vollstreckung von Strafurteilen elektronisch abrufen sowie systematisch und automatisiert in den für die Fahndung bestimmten polizeilichen Systemen überprüfen dürfen. Der Regierungsrat soll das Nähere regeln.

Derzeit erfolgt im Kanton Zürich keine oder eine nur sehr lückenhafte Überprüfung von Neuzuzügern in den Gemeinden. Bei Neuzuzügen aus dem Ausland fehlt es bei der Einreise sowohl an einer systematischen Überprüfung an der Grenze, als auch einer rudimentären Registrierung. Und eine polizeiliche Überprüfung bei Wohnsitznahme oder vor Aufnahme einer Arbeitsstelle, findet auch nicht statt. Lediglich bei Hinweisen auf schwere Gewaltverbrechen werden über das SIS-Büro in Bern Abklärungen getätigt. Einreisende aus der EU werden nicht auf ihr Vorleben – begangene, abgeklärte und auch verurteilte Straftaten in einem EU-Land – überprüft.

Vor diesem Hintergrund haben einzelne Gemeindebehörden die Polizei bis ins Jahr 2013 bei Neuzuzügen beauftragt, gestützt auf die Meldung durch die Gemeinde, jeweils eine Abfrage im Fahndungssystem des Bundes, RIPOL, zu tätigen, um zu prüfen, ob diese Person gesucht beziehungsweise ausgeschrieben ist. Diese Methode führte, insbesondere aufgrund der fehlenden Überprüfung bei der Einreise, immer wieder zu Erfolgen. Es konnten dadurch Straftäter eruiert und gefasst oder Straftaten aufgeklärt oder sogar verhindert werden.

Im Zuge der Kontrolle über die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Jahr 2013 hat der Kantonale Datenschutzbeauftragte festgestellt, dass systematische und verdachtsunabhängige Abfragen unzulässig seien. Es fehle eine gesetzliche Grundlage für solche Abfragen. Am letzten Montag ging es also um die Schliessung einer Gesetzeslücke und darum, die erforderliche gesetzliche Grundlage zu schaffen, um der Polizei ein wichtiges Mittel zur Personenfahndung zurückzugeben.

Es kann und darf nicht angehen, dass der vorgeschobene Datenschutz – und damit der Täterschutz – wie derzeit der Fall, höher gewichtet wird als der Schutz der Bevölkerung.

Mit dieser Gesetzesänderung wird die Polizei ermächtigt, Abfragen durchzuführen. Sie wird aber nicht zu einer systematischen Überprüfung verpflichtet. Und der Zugriff auf die Fahndungssysteme ist und bleibt weiterhin auf einen bestimmten Personenkreis bei der Polizei beschränkt.

Der Kanton Zürich geht mit dieser Gesetzesänderung bei Weitem nicht so weit wie etwa der Kanton Tessin, welcher seit letztem Jahr von jedem Ausländer, welcher eine Aufenthaltsbewilligung B oder eine Grenzgängerbewilligung G beantragen will, einen Strafregisterauszug sowie eine Erklärung über laufende Verfahren zwingend voraussetzt. Doch hätte möglicherweise der Fall eines Italieners (Tagesanzeiger, 20.8.14), welcher in unserem Land Wohnsitz nahm, verhindert werden können. In Deutschland wegen Entführung und Missbrauch von mehreren Kindern zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt und nach deren Verbüssung mit einer Einreisesperre nach Deutschland belegt worden, reiste der Mann ungehindert in die Schweiz ein, nahm Wohnsitz und verging sich in unserem Kanton an drei Mädchen. Wenn nur ein solcher Fall wie dieses Verbrechen an mehreren Mädchen und der Albtraum für ihre Eltern verhindert werden kann, dann hat dieser neu ergänzte Paragraph 21 Absatz 5 des Polizeigesetzes sehr wohl gegriffen.

Und wer nichts zu verstecken hat, hat auch überhaupt keine Konsequenzen zu gewärtigen, ist das Individuum doch dann ganz einfach nicht in den polizeilichen Fahndungssystemen vermerkt. Die Verhütung und Ahndung ist eine der Hauptaufgaben der Polizei. Auch bei Neuzuzügern hat die Polizei diese sicherheits- und kriminalpolizeiliche Aufgaben, zu erfüllen. Hierzu sind ihr die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Es ist für die Polizei ein verhältnismässiger Aufwand, aber für die Bevölkerung und die Gemeinde sicherheitsrelevant, dass zur Fahndung ausgeschriebene Straftäter und potenzielle Triebtäter sich nicht ohne eine Überprüfung in einer Gemeinde niederlassen können.