JA zur Straffung von Rekurs- und Beschwerdeverfahren

KANTONALE VOLKSABSTIMMUNG 28. FEBRUAR 2016

Damit für Verfahrensführerin und -führer sowie Verfahrensgegnerin und -gegner gleiche Voraussetzungen gelten, soll das Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG) entsprechend geändert werden. Neu soll eine feste 30-tägige Frist eingeführt werden, um zu einem Rekurs oder zu einer Beschwerde Stellung zu nehmen. Nach geltendem Recht kann nur der Staat mehr Zeit für die Antwort beanspruchen. Diese Ungleichheit ist sachlich nicht begründet und soll mit der Änderung des VRG beseitigt werden.

Der Kantonsrat hat mit 98 zu 73 Stimmen der dieser Gesetzesänderung zugrunde liegenden Parlamentarischen Initiative Amrein/Clerici von SVP und FDP zugestimmt. Dagegen wurde von Seiten der Ratslinken das Behördenreferendum ergriffen und es kommt am 28. Februar zur Volksabstimmung.

Gleiche Fristen für Verfahrensführer und Verfahrensgegner im öffentlichen Recht

Die Gesetzesänderung verlangt, dass die der Vorinstanz und den am vorinstanzlichen Verfahren Beteiligten eingeräumte
Vernehmlassungsfrist neu einheitlich 30 Tage betragen soll. In Stimmrechtssachen beträgt sie – wie auch nach geltendem
Recht – weitere fünf Tage. Wurde eine Rekursfrist abgekürzt, ist die Vernehmlassungsfrist entsprechend abzukürzen.
Die Vorinstanz und die am Verfahren Beteiligten erhalten, gleich dem geltenden Recht, Gelegenheit zur schriftlichen Vernehmlassung und das Verwaltungsgericht kann einen weiteren Schriftwechsel anordnen.

Vermeidung volkswirtschaftlich unerwünschter Schäden

Im öffentlichen Recht verpflichten verschiedene kantonale Gesetze Rekurrenten respektive Beschwerdeführer, ihren Rekurs respektive ihre Beschwerde innert einer gesetzlichen Frist einzureichen. Möchte zum Beispiel eine Rekurrentin Rekurs nach VRG einreichen, so hat sie gemäss Artikel 22 VRG 30 Tage Zeit dafür. Diese gesetzliche Frist kann grundsätzlich
nicht erstreckt werden. Gleiche Fristen gelten im Zivilrecht. In einem nächsten Verfahrensschritt unterscheiden
sich die Fristen leider bisher im öffentlichen Recht im Kanton Zürich vom eidgenössischen Zivilrecht, und dies meist zum Nachteil des Beschwerde- oder des Rekurs führenden Bürgers. Nach Kenntnisnahme vom Rekurs respektive der Beschwerde erteilt die zuständige Rekurs- oder Beschwerdeinstanz dem Rekurs- beziehungsweise Beschwerdegegner eine Frist zur Stellungnahme. Für diese nach Eingang des Rechtsmittels erfolgte Rekurs- beziehungsweise Beschwerdeantwort fehlt es im Kanton Zürich an gesetzlichen Fristen. Fristerstreckungen sind nach heute geltendem Recht im Kanton Zürich konkret im Einzelfall zu beurteilen. Von der Möglichkeit zur Fristerstreckung wird in der Praxis rege Gebrauch gemacht und die entsprechenden behördlichen bzw. gerichtlichen Fristen werden regelmässig verlängert. Meist reicht es schon, wenn beim
Bezirksrat oder beim zuständigen Gericht für eine Fristerstreckung Ferienabwesenheit eines Beamten geltend gemacht wird und nur allzu oft ist es leider so, dass Fristerstreckungsgesuche, wenn diese von Behörden oder staatlichen Stellen stammen, im Kanton Zürich ohne nähere Prüfung der Gründe bewilligt werden!

Vermeidung ungleich langer Spiesse

Im öffentlichen Recht ist der Rekursrespektive der Beschwerdegegner meist der Staat oder eine öffentlich-rechtliche
Institution und diese steht im Gegensatz zu den Rekurrenten oder der die Beschwerde einreichenden Partei unter einem vergleichsweise geringen oder gar keinem Kostendruck. Anstatt die Rekurs- und Beschwerdeverfahren mit der nötigen Priorität zu behandeln, können Rekurs- und Beschwerdegegner das Abfassen einer Stellungnahme mit einer Fristerstreckung unnötig und ohne sachliche Rechtfertigung prozesstaktisch verzögern. Dass dies den berechtigten Interessen der Beschwerdeführer an einer raschen Erledigung der Streitsache entgegenläuft, ist offensichtlich. Es ist auch allgemein bekannt, dass die Verzögerung von Bauvorhaben durch administrative oder gerichtliche Verfahren zu volkswirtschaftlich
nicht unbedeutenden Schäden führt. Die teilweise enormen Verzögerungen verbessern die Qualität der Rechtsmittelverfahren
nicht. Die nach geltendem Verwaltungsrecht in unserem Kanton sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung der Parteien stellt einen Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot dar. Zudem haben Beschwerdeführer bzw. Rekurrenten sich innert der gesetzlichen Frist zu einem abschlägigen Entscheid und aufgrund der Rechtsanwendung von Amtes wegen (VRG Artikel
7) zu allenfalls neuen rechtlichen Überlegungen zu äussern, ohne dass hier eine Möglichkeit zur Fristerstreckung bestünde. Um besonders aufwendigen Verfahren Rechnung zu tragen, ist es auch zukünftig, nach Annahme dieser Gesetzesänderung, der instruierenden Behörde unbenommen, einen weiteren Schriftwechsel anzuwenden.

Fazit

Um dem Gebot der Rechtsgleichheit im Kanton Zürich im öffentlichen Recht zu genügen, werden die Verfahrensvorschriften
für die rechtsmittelführende Partei und die Verfahrensgegnerschaft angeglichen und es werden auch für die Rekurs- oder Beschwerdeantwort gesetzliche Fristen eingeführt. Die Rechtssicherheit für alle Verfahrensbeteiligten wird erhöht und trägt den jüngsten gesetzgeberischen Bestrebungen sowie der heute geltenden Praxis auf Bundesebene Rechnung. Es kommt zu
einer Beschleunigung der Verfahren, die Streitsache erlangt schneller Entscheidungsreife. Das Vertrauen der Rechtssuchenden und des sogenannt «kleinen Bürgers» in eine funktionierende und effiziente Judikative wird gestärkt.

– Der Zürcher Bote | Nr. 5 | Freitag, 5 Februar 2016

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